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Trachtenmode erlebt eine Renaissance

Für Handwerkerinnen aus dem Allgäu ein Segen

Von Karin Katzenberger-Ruf

Oberstaufen im Oberallgäu: Ist das nicht der Ort, der durch die „Schrothkur“ berühmt wurde? Genau. Die Kur, benannt nach ihrem Erfinder Johann Schroth (1798-1856) und auf Trink- und trockentagen basierend, ist dort immer noch ein Thema. So auch im Lindner-Parkhotel.

Dort kann sich der Gast allerdings auch mit einer Gourmet-Küche verwöhnen lassen, in der Kräuter aus dem eigenen Garten eine große Rolle spielen. Ihre wohltuende Wirkung entfalten diese aber äußerlich angewandt. Im Wellness-Bereich des vor einiger Zeit großzügig renovierten Hotels kommen Bergkräuter nach eigener Rezeptur und in Mischungen passend zur Jahreszeit als Badezusatz oder Massageöl zum Einsatz. Natürlich gibt es dort noch mehr, was dem Körper gut tut. Wie Saunalandschaft oder Schwimmbecken drinnen und draußen mit Bergblick – genauer gesagt auf den über 1800 Meter hohen Hochgrat, dem Hausberg von Oberstaufen, das im Jahr 868 erstmals als „Stoufin“ urkundlich erwähnt ist.

Dort oben sind alpine Touren möglich, ansonsten lädt ein großes Wanderwegenetz zur Erkundung der herrlichen Gegend ein. Es gibt aber auch Pisten und Loipen. Im gemütlichen Ortskern mit urigen Gasthäusern ist auch abends noch einiges los. So steht Oberstaufen gerade bei jungen Leuten wieder hoch im Kurs. Ein absoluter Pluspunkt ist überdies die Herzlichkeit, mit der die Gäste im Ort und vor allem im Linder-Parkhotel empfangen werden. Hoteldirektor Eberhard Müller und sein Team legen viel Wert auf die familiäre Atmosphäre untereinander. Da muss der Funken ja überspringen. Selbstverständlich sind auch Einheimische zu Gast. An einem Abend sorgen drei junge Burschen in Tracht für Volksmusik vom Feinsten. Die Eltern haben sie zu ihrem Auftritt begleitet. Sie sind alpenländisch gekleidet, weil sie die Tradition pflegen wollen.

Dirndl oder Lederhose zu tragen mag bis vor einigen Jahren zumindest bei den „Flachländlern“ noch als altbacken gegolten haben. Doch inzwischen erlebt die Trachtenmode eine Renaissance, beim alljährlichen Münchner Oktoberfest ist sie bereits ein „Muss“. Davon profitieren auch Handwerkerinnen im Allgäu. Etwa die Sattlerin Marlies Bek aus Legau und die Handstickmeisterin Heidi Baumgartner aus Oberstdorf. Mit einem freundlichen „Ich bin die Marlies, kommt`s rein“ lädt die Sattlerin in ihre Werkstatt. Dort repariert sie für die Bauern aus der Umgebung Kuhglocken-Riemen, fertigt Lederhosen nach Maß oder Taschen und Rucksäcke aus Leder und Fell. Die großen Kuhfell-Taschen sind ideal zum Einkaufen, doch die Sattlerin hat auch Handtaschen passend zum Dirndl im Sortiment. Zum Beispiel welche aus Leder mit Fell-Herzchen. Dazu außerdem ein Täschchen zum Umschnallen, in dem Scheine sowie Groß- und Kleingeld getrennt aufbewahrt werden können. Genau das Richtige für das Bedienungspersonal im Festzelt und handlicher als ein großer Geldbeutel. Marlies Bek ist auf einem Bauernhof für Milchwirtschaft am Ort aufgewachsen, hatte aber schon immer mit Pferden zu tun und ist auch begeisterte Motorradfahrerin. Egal in welchem Sattel sie saß und sitzt: Mit Leder hatte sie stets zu tun, liebt dessen Geruch und Langlebigkeit. Also beschloss sie, im schon etwas reiferen Alter von 35 Jahren in München eine Ausbildung zur „Reitsportsattlerin“ zu machen. Am liebsten wäre sie danach „auf die Walz“ gegangen, wäre sie zu der Zeit nicht mit ihrem Sohn schwanger gewesen. Inzwischen fertigt die 49-Jährige auf Anfrage unter anderem Tragegurte für Wandergesellen an. Es gibt noch mehr besondere Bestellungen. Ein Mann lässt sich zu seinem 60. Geburtstag eine Lederhose nähen. Zum Oktoberfest oder früher sollte sie fertig sein. Der Kunde wird nachmittags nochmals in die Werkstatt kommen, um zu entscheiden, wie er die Hose bestickt haben will. Entweder klassisch mit Eichenlaub und Eichel oder mit einem Gamsbock. Das letztgenannte Motiv hat Marlies Bek selbst entworfen und sagt über sich selbst: „Inzwischen kann ich auch sehr gut sticken“. Ansonsten ist die Sattlerei, bei der meist mit zwei Nadeln genäht wird, eher ein Kraftakt. Wie das aussieht, demonstriert sie auf ihrem Sattelstuhl.

Das Nähen auf dem Stuhl ist mit einer kreisenden Armbewegung verbunden – sieht fast aus wie auf einem Gerät im Fitness-Studio und fühlt sich wohl auch so an. Näharbeiten kleinerer Art absolviert die Sattlerin auch gerne mal abends im Wohnzimmer. Quasi über Nacht kommen ihr manchmal die Ideen für neue Designer-Stücke. Besagte großräumige „Kuhfell-Taschen“ fertigte sie erstmals für eine Bauerngemeinschaft im Allgäu an. Inzwischen sind sie auch anderorts zum Verkaufsschlager geworden, genau wie die Täschchen passend zum Dirndl. Oder Mobiliar wie die die Fell überzogenen Hocker. Ihre Produkte stellte Marlies Bek bisher nur bei Kunsthandwerkermärkten in der Region aus. Ansonsten genießt sie es, freischaffend tätig zu sein.

In ihrer Werkstatt in Legau kann man sie nur nach Vereinbarung besuchen. Die Handstickmeisterin Heidi Baumgärtner aus Oberstdorf hat ihre Leidenschaft für das Sticken nach einigen Unterrichtsstunden bei ihrer Großmutter als 12-Jährige entdeckt. Seither wollte sie das Handwerk lernen und absolvierte eine dreijährige Ausbildung in einem Kloster im Bregenzer Wald. Dort standen auch Fächer wie Heraldik, Ornamentik, Symbolik oder Kunstgeschichte auf dem Plan. Dennoch ist der Ausbildungsgang seit einigen Jahren von der „Handwerksrolle“ verschwunden. Heidi Baumgartner, Jahrgang 1959, trägt die Tradition der Handstickerei weiter, gibt Kurse in dieser Kunst, hat zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften und mehrere Bücher veröffentlicht. Zwischen „Wiener Kreuzstich“ und „Schwälmer Stickerei“ in all ihren Facetten dürfte der „Edelweiß-Hosenträger-Stickkurs“ da noch eine der einfacheren Übungen sein. Dennoch dauert es etwa 35 Stunden, bis so ein Teil genäht und bestickt ist. Das Edelweiß (früher trug man es nur auf dem Steg, nun gerne auch auf den Trägern) ist eine Stickerei im Plattstich mit weißen Baumwollfäden. Für eine nach London ausgewanderte Münchnerin hat Heidi Baumgartner vor einigen Jahren ein Dirndl aufwändig mit Gold-und Silberfäden bestickt, die Schlagersängerin Angela Wiedl bestellte bei ihr eine Stickerei nach dem Gemälde „Die schöne Münchnerin“. Ansonsten bekommt die Handstickmeisterin auch viele Aufträge seitens der Kirche oder von den Vereinen. Da geht es dann um das Anfertigen oder Restaurieren von Fahnen oder Altarbildern.

Um die Handwerkskunst ihren Auftraggebern zu präsentieren, hat Heidi Baumgartner einen Schutzengel im güldenen Gewand mit vielen Schattierungen geschaffen. Ein wahres Meisterwerk. Ihren „Meister“ machte sie allerdings mit einem bestickten Brettspiel-Tisch, ihr Gesellenstück war ein Kleidungsstück samt Kragen in Vogelfeder-Optik. Die Kunststickerin kennt sich auch bestens in der Farben- und Zahlensymbolik aus, die auch in der Trachtenmode eine Rolle spielt. Die Farbe rot steht dort oft für „Ich bin noch zu haben“, während Witwen nach dem Trauerjahr in Schwarz sich nochmals in lila kleideten. Das war dann „der letzte Versuch“... Ihre Stickkunst führte Heidi Baumgärtner durch Kurse und Ausstellungen inzwischen in alle Welt, unter anderem unterstützt sie ein Hilfsprojekt für Frauen in Indonesien, die sich durch Stickereien auf Textilien ihren Lebensunterhalt verdienen.

Info: Marlies Bek nimmt Auftragsarbeiten unter der Telefonnummer 08330 1027 entgegen. Ihre Werkstatt hat sie in 87764 Legau, Oberlandholz 229. Anfragen auch unter www.shop-heimatliebe.de, das Geschäft mit Produkten aus dem Allgäu befindet sich in Oberstaufen. Handstickmeisterin Heidi Baumgartner aus Oberstdorf stellt sich und ihre Arbeit unter www.stickkurs.de vor, sie gibt vor Ort sowie deutschlandweit Stickkurse in Hotels. Unter anderem im Linder Parkhotel in Oberstaufen (Argenstraße 1, 87534 Oberstaufen, Telefon 08386 7030, E-Mail: info.parkhotel@lindner.de. Noch eine Bemerkung zum Hotel: Bei der Ausstattung der über 80 Zimmer sind hier und da ebenfalls Stickereien zu entdecken, ebenso wie Dekoratives aus Bergkräutern.